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Mittwoch, 21. März 2018

Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit
- Frauen dürfen hier nicht träumen [Rezension] Rana Ahmad

Caroline Schultz

Mit freundlicher Genehmigung von Random House
Vor ein paar Jahren las ich ein Buch mit dem Titel "Die Girls von Riad" einen Roman von Rajaa Al-Sanea. Der Plot ist einfach: Eine junge Frau aus Saudi-Arabien erzählt die Lebensläufe von vier Freundinnen, alle unterschiedlich, aber alle auf der Suche nach Glück und Liebe und der Erfüllung ihrer Wünsche. Doch die saudisch-islamische Gesellschaft ist nicht darauf ausgerichtet junge Frauen glücklich zu machen, so enden die vier persönlichen Geschichten alle in Tragödien für die man ausschließlich die dominante saudische Männerwelt verantwortlich machen muss. Die Unfreiheit der jungen Frauen und die mittelalterlichen Moralvorstellungen haben mich damals schon fassungslos gemacht, obwohl ich lediglich einen Roman vor mir hatte, in dem sicher vieles noch geschönt erzählt wurde. 


Nur noch 2nd Hand
 von Goldmann oder Pendo
Die Erinnerung an "Die Girls von Riad" war sofort wieder da, als ich den Buchtitel "Frauen dürfen hier nicht träumen" von Rana Ahmad vor mir sah.
Die Autorin erzählt aus ihrem Leben in der strengen islamischen Männergesellschaft, wie es dazu kam, dass sie sich von Gott abwendete und wie ihr schließlich die riskante Flucht aus Saudi-Arabien gelang. 



Ranas Geschichte ist kein Roman, ihr Erfahrungsbericht zeigt die bittere Realität. Eine Realität, in der Frauen stets unterlegen sind und ganz nach der Laune der Männer missbraucht und gequält werden. "Frauen dürfen hier nicht träumen" ist der sehr passende Titel dieser Lebensgeschichte, die unbestreitbar aufzeigt wie rechtlos und unterdrückt Frauen in diesem abgeschirmten islamischen Land sind.

Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wächst Rana als glückliches und verwöhntes Kind syrischer Einwanderer in Riad, der Hauptstadt Saudi Arabiens auf. Dann kommt der Tag der alles verändert, sie darf plötzlich nicht mehr mit ihrem geliebten Fahrrad fahren oder allein irgendwo hingehen. Ein Onkel bekommt das Fahrrad stattdessen und sie versteht nicht warum er damit fahren darf und sie nicht? Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie verunsichert, sie fragt sich ob sie vielleicht etwas falsch gemacht hat? Von nun an, muss Rana auch ein Hijab - ein Kopftuch tragen - ein schlechter Tausch!


Ein paar Jahre später als sie 14 Jahre alt ist, bekommen die Mädchen in der Schule einen Zettel, auf dem steht, wie sie sich zu kleiden haben, denn aus Sicht der islamischen Geistlichen sind sie eine potentielle Versuchung für alle Männer. 
Wenn der Vater von der Arbeit kommt, dann muss er mit Mutter und Tochter zum Einkaufszentrum fahren und sie kaufen alles was die Tochter nun braucht. Tarhas(Kopftücher), Abayas (weite Gewänder) und Niqabs (Schleier, der nur die Augen frei lässt), gibt es in einem speziellen Einkaufszentrum wo nichts anderes verkauft wird.
Rana hat ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis zu ihrem Vater, er ist ihr Verbündeter und versteht sie oft besser als ihre sehr religiöse und strenge Mutter. Doch insgesamt gesehen ist die ganze Familie durch und durch religiös, kein Gebet wird jemals ausgelassen und keine Regel missachtet. Wenn Rana ihre Mutter nach dem "Warum" fragt, ist die Antwort stets, weil Allah dich dann noch mehr liebt - oder weil Gott es so will!

In der Schule hat Rana eine Freundin mit der sie ihre Gedanken teilen kann, die jungen Mädchen lieben Popmusik und Musikvideos, Süßigkeiten und träumen fast die gleichen Träume wie Teenager überall auf der Welt. Doch sie dürfen sich nicht in ihrer Freizeit besuchen. Zuhause kann Rana nur mit Frauen aus ihrer Familie befreundet sein. 
Ihr Zuhause in Saudi Arabien und ihr Zuhause in Syrien bei den Großeltern erscheinen ihr während ihrer Kindheit noch als Orte der Geborgenheit, doch mit siebzehn muss sie eine andere Erfahrung machen und in diesem Sommer geht etwas in ihr für immer kaputt.

"..Drei Jahre, nachdem ich mich zum Schutz vor den Blicken fremder Männer zu verhüllen begann, zwingt mich Bark, ein Mann, von dem ich glaube nichts fürchten zu müssen, einen Softporno mit ihm zu schauen und fasst dabei meine Brüste an."


Rana berichtet in ihrem Buch von weiteren Beispielen sexuellem Missbrauchs. Sie beschreibt Taten, die ihr teilweise selbst widerfuhren, oder die Freundinnen und Verwandte erleiden mussten. Eine Frau in Saudi Arabien darf sich einem Mann nicht widersetzen, wenn er sie also zu "unreinen" sexuellen Handlungen zwingt, dann ist das was er ihr antut "haram", also eine Sünde. So fühlt die jugendliche Rana sich für das Unrecht, das ihr geschieht auch noch verantwortlich, schmutzig und schlecht und kann sich niemandem anvertrauen, weil sie für die sexuellen Übergriffe auf jeden Fall die Schuld bekäme!


Rana erzählt vom Alltagsleben, von Hochzeiten, schönen Kleidern, von den Ritualen die immer beachten, dass Frauen und Männern getrennt sind und davon, dass die Männerwelt stets alles entscheidet. Rana ist eine Zeit lang verheiratet, darf aber nur Hausfrau sein und für die Schwiegermutter schuften, obwohl sie gerne nach der Schule noch studiert hätte. 

Später nachdem die Ehe geschieden war und Rana wieder in der elterlichen Wohnung lebt, da braucht sie die Erlaubnis des Vaters, um einen Englischkurs zu machen und nur mit seiner Zustimmung kann sie in einem Krankenhaus arbeiten. Ihr Vater muss sie täglich zur Arbeit fahren und wieder abholen, das Gleiche gilt auch für die anderen saudi-arabischen Frauen. Entweder ein männliches Familienmitglied fährt sie, oder sie müssen zu Hause bleiben. Reiche Frauen haben einen Fahrer, wodurch die Frauen ein kleines bisschen mehr Unabhängigkeit haben.

Rana durchlebt alles Schlechte, was einer jungen Frau in diesem Land geschehen kann und verbringt als erwachsene Frau ein trübseliges Dasein in ihrem Zimmer, in der Wohnung ihrer Eltern. Sie surft viel im Internet und entdeckt den Nachrichtendienst Twitter für sich, wo sie gerne mitliest und dann zaghaft erste eigene Posts schreibt. Dieses Medium eröffnet ihr eine neue Welt, als sie dort einen arabischen Atheisten entdeckt.

Rana weiß zunächst nicht mal was Atheismus ist und googelt alles was damit zu tun hat. Fassungslos steht ihre Welt Kopf, als ihr klar wird, dass es Menschen gibt die sich vom Islam abgewendet haben und nicht mehr an Gott glauben. Ein Umstand der für sie noch lange Zeit unfassbar bleibt. Nach und nach zweifelt sie den Koran und die Existenz Gottes immer mehr an, denn sie kann keine logische Erklärung oder Beweise dafür finden, dass es Allah wirklich gibt. Mit der eigenen Abkehr vom Glauben, wächst auch der Wunsch nach Flucht und dem Leben in einem freien Land.

Rana Ahmad hat ein sehr mutiges und wichtiges Buch geschrieben, denn in Saudi-Arabien bedeutet es für eine Frau ihr Leben zu riskieren, wenn sie sich gegen den Islam oder die geltenden Regeln zu stellt. Was viele Millionen Frauen in Riad und im ganzen Land in ihrem Umfeld erleiden müssen, hat Rana Ahmad in ihrem Buch Beispielhaft ans Tageslicht gehoben. Sehr klar formt sie Gedanken und Erlebnisse zu ihrer bewegenden Geschichte, die anschaulich das wahrhaftige Gesicht Saudi-Arabiens mit seiner mittelalterlichen Moralvorstellung, eingerahmt von modernen Wolkenkratzern, aufzeigt.

"Frauen dürfen hier nicht träumen" ist ein Buch, dass keinen Menschen mit westlicher Erziehung und Bildung kalt lassen kann. Sprachlich ist es sehr spannend, absolut mitreißend in einem flüssigen Stil geschrieben, der der Handlung gerecht wird. 

Der sehr passenden Buchtitel lässt sich unbegrenzt auf alle Lebensbereiche der arabischen Frau ausdehnen. Das traurige und erschütternde Resumé für die weibliche Welt ist, dass es Frauen in Saudi-Arabien nicht gut geht:

Frauen dürfen sich hier nicht frei bewegen,
Frauen dürfen hier nicht über ihr Leben bestimmen,
Frauen dürfen hier nicht frei atmen, sie müssen sich verschleiern.

Frauen dürfen hier keine Freundinnen oder Freunde treffen, die nicht zur Familie gehören. Frauen dürfen hier ausschließlich das tun, was ihre Väter, Ehemänner und Brüder ihnen gestatten. Nur das.
Frauen sind schuldig, wenn sie geschlagen, missbraucht oder sexuell belästigt werden.

Die Tatsache, das es eine derartige Welt heute noch gibt, ist für mich als eigenständige westliche Frauen in einer aufgeklärten Welt schier unfassbar. Es ist mutig das Rana ihre Geschichte erzählt, für das was sie getan hat muss sie immer noch um ihr Leben fürchten. 

Erfreulich ist, dass der Kronprinz Mohammed bin Salman die Regeln für Frauen nun etwas lockern will, wie z.B. bei der Süddeutschen Zeitung zu lesen war. Doch bis diese kleinen Änderungen in den Köpfen der überwiegend zu dominanten oder den strenggläubigen Männer ankommen und weitere Maßnahmen folgen werden, müssen noch viel zu viele Frauen ihre persönliche Hölle durchleben.