Interview

Gespräch mit Katharina Hagena auf der Frankfurter Buchmesse 2016 zu ihrem Buch
 – Das Geräusch des Lichts

Caroline Schultz: „Wie gefällt ihnen die Buchmesse, sind sie gerne in Frankfurt?“
Katharina Hagena: „Ich bin noch gar nicht lange da. Ich bin heute Morgen um viertel vor fünf aufgestanden und bin von Hamburg hierher gebrettert. Daher weiß ich noch gar nicht so genau, wie es mir gefällt. Ich bin noch so ein bisschen verwirrt. Aber eigentlich ist es immer so eine Mischung aus Angst-Lust, die mich auf der Buchmesse umtreibt.“
Caroline Schultz: „Ist das ihre erste Buchmesse?“
Katharina Hagena: „Nein, nein, zu jedem Buch gibt es eine Buchmesse, ich gehe aber nicht zwischen den Büchern auf die Messe. Vielleicht noch mal für ein Taschenbuch, sofern das Buch neu als Taschenbuch herauskommt. Ich fahre immer dann zur Buchmesse, wenn ich selber auch ein Buch am Start habe, denn sonst ist es  - glaub ich - auch ein bisschen schrecklich und frustrierend zu sehen, wie alle anderen so wahnsinnig produktiv sind, während man selber am Kämpfen ist. Das finde ich dann einschüchternd.“
„Ich finde die Buchmesse wirklich einschüchternd, wenn man die ganzen tollen Neuerscheinungen sieht, kommt der Gedanke, wie soll mein eigenes kleines Werk da überleben und sich durchsetzen?“ Ich finde das schon immer hart.
Bei mir zu Hause bin ich die einzige Autorin - bei mir im Haus - und hier ist es eben einfach die Masse, die einen dann auch einschüchtert.“ „Als Schreibende denke ich auch, ob man jetzt ein Buch geschrieben hat, oder nicht. Für einen selber ist es wichtig - Aber nicht für die Welt - so ein Gefühl bekomme ich hier auf der Messe.“
Caroline Schultz: „Okay, aber ob das Buch wichtig ist, dass entscheiden aber dann ja ihre Leser?“
Katharina Hagena: „Ja das stimmt. Das ist auch das Schöne. Messe hat ganz wenig mit den Lesern zu tun, finde ich.“
Caroline Schultz: „Deswegen bin ich hier und baue eine Brücke zum Leser.“
Katharina Hagena: „Echt! Deswegen sind auch Blogger wichtig und Autoren sind auch ein bisschen so die Deko.“
Caroline Schultz: „Ach? Finde ich gar nicht.“
Katharina Hagena: „Vielleicht auch nicht. Vielleicht bin ich auch gerade ein bisschen verschreckt.“


Caroline Schultz: „Mögen sie normalerweise Öffentlichkeit, oder sind sie die übrigen Tage im Jahr ehr ein zurückgezogener Mensch?“
Katharina Hagena: „Sowohl als auch. Ich finde die Kombination wirklich toll. Ich finde es toll, dass man sich vier Jahre lang mit seinem Buch einfach zurückziehen kann und sich da in seinen eigenen Gehirnwindungen verirrt. Und dann, wenn es aber fertig ist, dann habe ich auch sehr das Bedürfnis nach außen zu gehen damit und es zu zeigen. Ich finde auch tatsächlich, dass eine Geschichte erst zu einer Geschichte wird, wenn sie gelesen wird. Und erst wirklich zu einer Geschichte wird, wenn sie ein Publikum findet. Ich lese wirklich gerne vor und beantworte auch wirklich gerne Fragen aus dem Publikum. Ich finde das wahnsinnig interessant und finde ganz selten, dass es schlechte (es gibt natürlich wahnsinnig indiskrete Fragen) Fragen gibt. Ich finde immer, wenn sich jemand was fragt, wie irgendwas ist, dann kann das ja irgendwie nicht ganz blöd sein. Ich beantworte das gerne und ich spreche gerne über meine Arbeit und meine Bücher und suche dann auch die Öffentlichkeit. Ich mag auch gerne an der Öffentlichkeit sein, nicht für mich selbst, sondern weil ich wirklich das Gefühl habe, ich mache das für mein Buch. Aber ich schreibe mein Buch ja nicht, damit die Welt meine Stimme hört, sondern weil ich will, dass es die Geschichte gibt!“
Caroline Schultz: „Planen sie jetzt eine Lesereise zu dem neuen Buch?“
Katharina Hagena: „Ich plan selber gar nicht so viel, dass macht der Verlag. Dort gibt es dann eben Anfragen für Lesungen und es gibt auch schon relativ viele, aber nicht wie eine Tournee, so wie bei einem Rockstar - ich im Fußballstadion Frankfurt (lachend) oder Konzerthalle Hamburg - Die kommen so einzeln. Meist versucht der Verlag das dann so ein bisschen zu bündeln, aus praktischen Gründen. Aber eigentlich finde ich das immer ganz schön wirklich nur einen Termin zu haben und dann wieder nach Hause zu kommen. Und ich will gar nicht so viel auf einmal, dann wird man ein bisschen Irre.“
Ich hatte schon eine Lesereise, mit meiner norwegischen Übersetzerin durch Nordnorwegen. Das war sehr lustig, weil wir da zu dritt gereist sind - mit drei Frauen. Und dann hatte es so ein bisschen was von einer Jugendgruppe, sehr lustig, aber es ist auch anstrengend. Somit mag ich immer ganz gerne einzelne Lesereisen. Einmal die Woche, zweimal im Monat. Solche Lesereisen finde ich ganz schön. Ich habe ja auch noch Kinder, da muss man ja irgendwie auch mal ein bisschen zu Hause sein.“
Caroline Schultz: „Wie alt sind ihre Kinder?“
Katharina Hagena: „Siebzehn und bald vierzehn.“
Caroline Schultz: „Junge oder Mädchen?“
Katharina Hagena: „Sowohl als auch. Siebzehn ist der Junge und dreizehn ist die Tochter.“
Caroline Schultz: „Also ist zu Hause für sie auch Erdung?“
Katharina Hagena: „Zu Hause interessiert es keinen, wie hoch jetzt die Verkaufszahlen sind. Wie viele Leute bei der Lesung waren. Wenn ich dann zu Hause in meinem Topf rühre, dann interessiert es auch keinen, wenn ich sage - gestern war ich noch geblendet im Scheinwerferlicht irgendwo in Paderborn (lacht), sondern dann interessiert es keinen Menschen. Das ist aber auch sehr nett!“

Caroline Schultz: „Was war die Initialzündung für diese Romanidee? Wie sind sie zu dem Thema gekommen? Gibt es dazu eine Vorgeschichte?“
Katharina Hagena: „Ich wollte schon über das Warten schreiben, über das was mit der Zeit geschieht beim Warten. Ich finde auch, dass es dem Schreiben durchaus ähnelt, dass man die Zeit letztlich beeinflussen kann, sowohl beim Lesen, als auch beim Schreiben. Beim Lesen selbst! Beim Lesen kann man in einer Stunde vier Jahrhunderte durchqueren und beim Schreiben kann man einen Vorgang der 30 Sekunden dauert auf vierzig Seiten ausdehnen. Solche ähnlichen Vorgänge passieren ja auch beim Warten. Und dann passiert ja so was Ähnliches im Kopf, dass einem die Zeit plötzlich unendlich erscheint. Und Rückblickend ist sie aber wenig da gewesen. Solche Phänomene gibt es aber in der Fiktion ganz stark. Die gibt es beim Lesen und beim Schreiben und die gibt es letztlich auch beim Warten.“
„Ich glaube auch, das Warten und Erzählen immer zusammen gehört haben und zusammen gehören. Die Geschichte von 1001 Nacht basiert ja letztlich darauf, dass jemand darauf wartet, dass der Morgen graut und das Scheherazade hingerichtet wird und sie erzählt gegen den Tod an und es wird 1001 Nacht und es wird immer länger und länger. Die Geschichten, für die braucht man auch ungefähr tausend und eine Nacht. Also diese Wartesituation und die Zeit manipulieren und letztlich auf diese Weise vielleicht dem Tod sogar ein Schnippchen zu schlagen, in dem man einfach weitererzählt, das ist schon das, was ich schreibend ausloten wollte.“
Caroline Schultz: „Das war die Idee! Und die war immer schon da?“
Katharina Hagena: „Das Warten wollte ich einfach ausloten. Das kam einfach im Laufe der Zeit. Mein erstes Buch ging über das Vergessen, mein zweites Buch über das Schlafen bzw. über das nicht schlafen können. Letztlich sind das immer so  Zwischenräume. Deswegen spielt es ja auch in einem Wartezimmer, das ist ja auch wirklich der Zwischenraum schlechthin! Das ist aus dem echten Leben rausgeholt.“
„Beim Warten durchläuft man unterschiedliche Gemütszustände - von hoffnungsvoll und freudig erregt, bis zu ungeduldig, angstvoll. Dann wieder ist man voller Aggressionen und voller Abwehr und am Ende begibt man sich in irgend so was Fatalistisches, man durchläuft viele verschiedene Stadien.“
„Die initiale Idee hat auch etwas mit der Location zu tun. Mit Kanada. Ich habe vor ein paar Jahren mal eine Reise nach Kanada gemacht und wollte mir das Nordlicht anschauen. Das hat aber auch etwas mit dem Warten zu tun. Denn bei dem Nordlicht, da weiß man ja auch nicht, ob es kommt oder ob es nicht kommt! Und da kann man wirklich nichts anderes machen als darauf zu warten. Es gibt zwar auch Prognosen und Apps, wobei man nicht weiß, ob die stimmen.“
„Man muss einfach warten und wirklich nichts weiter tun. Man kann ja in der Nacht eigentlich auch nichts anderes machen, außer schlafen oder auf das Nordlicht warten. Man kann auch kein Licht einschalten, weil es dann nicht gut ist für das Nordlicht. Von daher war das auch eine Situation in der ich erstmalig auf den Gedanken gekommen bin ein Buch über das Warten zu schreiben.“
„Als ich da war, um auf das Nordlicht zu warten. Es war ein sehr einsamer Ort im Norden von Kanada. Ich war aus persönlichen Gründen da und habe ich eigentlich etwas anderes gesucht. Aber ich wollte einfach das Nordlicht sehen und auf dieser Reise bin ich vielen Leuten begegnet, die auch das Nordlicht sehen wollten, aber eigentlich auch selber auf der Suche nach etwas ganz anderem waren. Aber nun dorthin gekommen waren, um das Nordlicht zu sehen. So saßen wir nachts oft irgendwie gemeinsam rum und warteten auf das Nordlicht. Dabei hat jeder gerade so viel von sich preisgegeben, dass man wusste, jeder hat seine Geschichte mitgebracht und hatte einen Grund warum er unbedingt das Nordlicht sehen wollte. Also es waren jetzt nicht nur alles Astronomen. Von daher kam ich da erstmalig auf die Idee! Diese Wartesituation, in der jeder eine Geschichte hat, in meinem Buch zu verarbeiten.„

Caroline Schultz: „Also haben sie die Geschichte aus Kanada mitgebracht?“
Katharina Hagena:  „Ja - Ja, als ich das erste Mal nach Kanada fuhr, wusste ich nicht, dass ich ein Buch darüber schreiben würde.“
Caroline Schultz: „Sie sind also nicht mit der Buch-Idee nach Kanada, um dafür zu recherchieren, sondern das ist quasi ein Mitbringsel.“
Katharina Hagena: „Später bin ich noch einige Male nach Kanada gereist, um zu sehen wie es in Kanada in den verschiedenen Jahreszeiten aussieht, denn das Buch spielt ja in verschiedenen Jahreszeiten. Dann dienten die Reisen der Recherche. Bei der ersten Reise nicht.“
Caroline Schultz: „Das beantwortet auch meine andere Frage: Es war erst das ‘Wartekonzept‘ da, dann das ‚Wartezimmer‘  und anschließend sind die Lebensläufe entstanden? Das ist ja auch immer alles ganz kunstvoll arrangiert und greift ineinander und ist verwoben.“

Katharina Hagena: „Das muss es ja auch, weil alles aus einem Kopf kommt. Es ist ja klar, dass es letztlich diese ausgedachten Geschichten sind. Es sind ja nicht wirklich die Geschichten von den einzelnen Leuten, sondern das ist ja so ein bisschen, das was man macht im Wartezimmer -  Man fragt ja nicht: „Warum sind sie hier?“
„Sondern, das ist das was man so macht, um nicht über seine eigene Geschichte nachdenken zu müssen. Man denkt sich die anderen Geschichten aus. Das heißt, die müssen ja alle miteinander verwoben sein und irgendwie ist auch die Geschichte der Autorin, bzw. der Erzählerin selber mit darin verwoben, die sich vielleicht ihre eigene Geschichte vom Leib zu halten versucht, indem sie sich dann intensiv in die Geschichten dieser anderen Menschen hineinbegibt.“
„Aber deswegen müssen die auch alle etwas miteinander zu tun haben, weil die ja alle aus ein und demselben Kopf kommen.“
Caroline Schultz: „Ja, aber das ist schon sehr kunstvoll, wie Ihnen das gelingt: An ganz vielen Stellen, so klein und fein hineinerzählt. Das hat mir Spaß gemacht, ebenso wie die Symbolik in Ihrem Buch.“
„Was mir aufgefallen ist, diese ganzen Hauptfiguren in den Geschichten, sind ja sehr ausgefallene Spezialisten. Z. B. gibt es diese Forscherin, die sich mit Mosen beschäftigt und der Junge der seine Mutter und Schwester auf dem Planeten Tschu sucht, ist ja schon sehr spezialisiert in seinem Tun und Suchen. Warum sind das alles so Spezialisten? Warum nicht etwas Alltägliches wie Bäcker?“
Katharina Hagena: „Moment, der eine ist Koch! Und in der anderen Geschichte ist er Musiker - der Witwer - das finde ich jetzt auch noch nicht so speziell. Eine ist tatsächlich eine Bryologin, das ist wirklich eine Spezialistin!“
Caroline Schultz: „Ich wusste nicht einmal, dass es diesen Beruf gibt!“
Katharina Hagena: „Ja, cool, oder?“
„..und der Junge ist, wie ich finde, auch kein Spezialist sondern ehr ein Nerd. Aber auch ein Verzweifelter, der sich das Wissen angeeignet hat im Laufe seines Leids. Und von daher gibt es nur diese eine Expertin und man weiß nicht genau, wie viel sie am Ende mit der Erzählerin selber zu tun hat. Aber die Erzählerin ist ja auch so eine Autoren-Figur. Sie hat ja auch eine Roman-Idee und sie sagt ja in der letzten Geschichte - Zitat: „Meinen Verlag hatte ich gefragt, ob sie Interesse an einer Romanbiografie der deutschen Naturforscherin Erdmuthe Buck hatten,…)“
  „Das ist das, was unser Beruf uns vorgibt, wenn man ein Buch über irgendwas schreiben will, dann recherchiert man über diese Sache! Bis man selber letztendlich auch so etwas wie ein Experte ist. Das ist ja auch das Tolle beim Schreiben, dass man sich selber so eine Art Expertenwissen angeeignet hat. Wenn man weiß wie man recherchiert, dann kann man sich letztlich mit allem eindecken, was man schon immer mal wissen wollte!“

Caroline Schultz: „Und sie wollten immer schon mal alles über Moose wissen?“
Katharina Hagena: (lacht) „Ja, das wollte ich tatsächlich!“
Caroline Schultz: „Die meisten Menschen wollen doch z. B. vielleicht lieber etwas über die Tierwelt herausfinden?
Katharina Hagena: „Ja, ich finde Tiere auch total spannend. Es gibt ja auch viel Text über Bärtierchen, die in dem Moos leben. Fast gleich viel.“
„Aber was ich auch so spannend finde, das ist eine abgeschlossene Welt, die man aber sieht. Anders als eine Welt unter einem Mikroskop. Da hat man das Gefühl - wenn man so Rasterelektronenmikroskop-Bilder sieht, das ist alles wahnsinnig Alien-mäßig. Wie ein anderer Kosmos!
Das Tolle bei der Betrachtung von Moos hingegen ist, dass sieht man ja alles wirklich mit bloßem Auge und ich finde, dass Moos auch so einen „Alice in Wonderland Effekt“ hat, wenn man es nur so sieht im Wald. Wenn man sich lange genug in das Moos hineinvertieft, kann man sofort ein bisschen schrumpfen, ohne dass man dafür Pilze essen muss wie Alice! Dafür wäre ich dann auch ein bisschen zu feige.“
„Und das finde ich bei Moos auch so besonders -  dass es ganz alltäglich ist! Es gibt es überall! Wir leben alle damit!“ „Es gibt überhaupt gar keinen Ort, wo es nicht wächst.
Aber es ist trotzdem in sich, eine eigene abgeschlossene Welt, wie ein eigener Kosmos.“

„Was ich eben so besonders finde am Moos, gerade auch im Hinblick auf das Thema des Wartens, ist die Tatsache, dass das Moos eben auch so extrem ist. Das es letztlich sterben kann, 1500 Jahre irgendwo eingefroren sein kann und dann tropft man ein bisschen Wasser auf eine Petrischale und plötzlich wächst es wieder und tut so als wäre nichts gewesen. Dass solche Phänomene, also auch die Bärtierchen oder das Moos in diesem Lebensraum leben und dass Organismen tatsächlich unser Bild von Leben und Tod sprengen. In ihrer kleinen Welt sprengen sie tatsächlich diese großen Konzepte - Was ist Leben und was ist es nicht? – oder was ist Tod!?
Was das Moos im Kleinen macht, das ist auch das was der Junge macht. Womit wir wieder bei der Ausgangssituation des Schreibens sind - was Geschichten machen: Sie sprengen auch plötzlich unsere Vorstellungen von bestimmten Kategorien, von denen wir vorher dachten, dass es sie gibt. Und dann gibt es sie so aber gar nicht mehr. Von daher finde ich das Moos, in seiner kleinen bescheidenen Art kann es ganz viel zeigen und lehren über die ganz großen Dinge. Solche Zusammenhänge faszinieren mich wirklich sehr.“
Caroline Schultz: „Das ist sehr schön erklärt!“ J
Katharina Hagena: „Danke!“
Diese Lebensaspekte kommen ja alle in Ihrem Roman vor: „Verlieren, Verlust und Tod. Das sind elementare Lebensbereiche. Warum haben sie dazu eine Geschichte erzählt?“
„Weil ich glaube, ich möchte nur Geschichten erzählen über Dinge, die mich bewegen und mit denen ich mich auseinandersetzen muss in irgendeiner Weise und in der sich alle meine Figuren auseinandersetzen müssen. Ich finde das erzählenswert, und ich finde auch, dass man in der genauen Beschreibung, vielleicht schon von dem was Verlust bedeutet, darin liegt auch schon Trost, finde ich.“
Caroline Schultz: „Also ist es ein tröstendes Buch?“
Katharina Hagena: „Ja, insofern – nicht das es dem Leser ein Trostbuch an die Hand gibt.
Es ist kein Ratgeber oder sowas. Aber ich glaube wirklich und ich glaube das jedes Buch, jede wahrhaftige präzise Geschichte das hat, was Fiktion vermag, nämlich dass „die Realität da draußen“ in Sprache übersetzt wird. Es ist ja nicht so, dass man nach einer wahren Begebenheit erzählt. Ein Buch bleibt Druckerschwärze, trotzdem ist die Erfahrung die darin steckt in irgendeiner Weise übersetzt.“
„Ich glaube, in dem Versuch, dessen was man beschreiben möchte, so nahe wie möglich zu kommen, wenn man das versucht in Worte zu fassen, und der Lektüre dessen, darin liegt auch schon so etwas wie Trost. Gar nicht so sehr in dem Inhalt, sondern wirklich in dem ‚genauen sich auseinander setzen‘ mit den Dingen, die einen bewegen. Und ich glaube das ist die Aufgabe von Fiktion.“
Caroline Schultz: „Das ist ja auch das, was den Jungen tröstet, dass er sich auf seine Weise mit den Fragen auseinandersetzt?“
Katharina Hagena: „Ich glaube das rettet ihn!“
Caroline Schultz: „Aber er wird gar nicht verstanden?“
Katharina Hagena: „Aber das ist gar nicht so wichtig. Er weiß was er macht, er kann sich retten und hat Verständnis dafür, dass sein Vater ihn nicht versteht. Das entspricht auch oft der Realität. Er kann dadurch sich und seinen Vater auf diese Weise letztlich am Ende retten und auch seine Mutter und seine Schwester.“
.. und ich glaube eben, das kommt auch in einer der Geschichten vor, dass wir es eben nicht schaffen, gegen das Ungeheuer – gegen die Medusa selber zu kämpfen ohne zu versteinern wie Herakles. Sondern das wir den Spiegel brauchen um gegen die Medusa anzukommen. Und der Spiegel ist die Literatur. Die Geschichte ist die Möglichkeit mit wir der Ungeheuerlichkeit ins Auge zu blicken können ohne zu versteinern! Das ist jetzt ein Satz, mit dem habe ich mich mehr oder weniger selber zitiert.“ (Seite 84 unten, ‚Das Geräusch des Lichts‘)
(Wir schauen zusammen durch das Buch…ich möchte die Textzeile anstreichen.)
Katharina Hagena: „Die Stelle ist kurz hinter der ‚Grammatik des Wartens‘.
Caroline Schultz: „Die war auch sehr schön!“
Katharina Hagena: „Ah fanden sie die gut?“
Caroline Schultz: Ich fand die sehr gut!
Katharina Hagena: „Ah da bin ich echt froh, weil da habe ich mit meinem Verlag gekämpft.“
Caroline Schultz: „Was bedeutet ihnen denn das Polarlicht. Haben sie es gesehen?“
Katharina Hagena:  „Ja, ich habe es gesehen. (Mit Begeisterung in der Stimme) Und ich fand es großartig. Und finde es auch eine wunderbare Projektionsfläche und ich möchte es auch nochmal sehen und nochmal und nochmal. Ich kann wirklich alle verstehen – diese ganzen Legenden und Sagen von den Inuit und allen Indigenen Völkerstämmen, die alles Mögliche da rein projizieren und das möchte man eigentlich auch sofort tun. Wenn man es sieht hat man schon das Gefühl, dass es noch sehr viel größere und andere Dinge gibt, als das womit wir uns so beschäftigen. Und das ist wirklich eine tolle Erfahrung!“
Caroline Schultz: „Hat es denn jetzt ein Geräusch gemacht?“
Katharina Hagena (zerknirscht): „Als ich da war leider nicht!“
Caroline Schultz: „Aber theoretisch? Es gibt Legenden darüber?“
Katharina Hagena: „Aber es gibt ganz viele Legenden darüber und es gibt ja auch tatsächlich diese norwegischen Forscher, die jetzt gerade festgestellt haben - vor zwei Jahren - die es aufgenommen und gemessen haben, dass es auf 70 m Höhe knallt. Aber man weiß überhaupt nicht warum. Es gab früher ganz viele physikalische Erklärungen, das man annahm, es sei was im Gehirn, etwas das sich elektrisch auflädt und daher können es manche Leute hören und manche nicht. Das irgendwas im Gehirn knallt, so dass man tatsächlich einen Knall hört. Aber das ist es nicht. Und das sich die Umgebung elektrisch auflädt, das ist es auch nicht.
Sondern es knallt wirklich! Aber jetzt weiß man nicht warum. Aber das finde ich umso interessanter. Je mehr man erforscht, desto mehr Fragen werden aufgeworfen, das ist ja auch bei Literatur so.“
Caroline Schultz: „Welche Bücher, welches Genre lesen sie selber gerne?“
Ich lese viele Romane. Zeitgenössische englische Romane oder amerikanische Romane. Ich lese fast alles nur noch auf Englisch, weil es mir mit meiner Sprache dann nicht in die Quere kommt. Davon lese ich wirklich viel, auch irische Literatur, aber u. a. auch deutsche Romane. Meine Lieblingsautorin ist Virginia Woolf. Als letztes habe ich zwei Bücher von Anne Tyler gelesen.
Caroline Schultz: „Wird es das Geräusch des Lichts auch als Film geben?“
Katharina Hagena: „Nicht das ich wüsste! Die Filmrechte liegen aber bei mir, jeder ist willkommen der es verfilmen möchte. Er soll sich bei mir melden.“
Caroline Schultz: „Danke für das ausführliche Interview!“


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