Sonntag, 21. September 2014

[Rezension] Im Hause Longbourn - Ein Fenster in die "Jane Austen-Zeit" und ein ungeschönter Blick hinter die Kulissen

Im Hause Longbourn

JO BAKER

Caroline Schultz 

(c) Radom House
Janes Austens Roman Stolz und Vorurteil ist ein Lieblingskind in meinem Bücherregal und ein unangefochtener Klassiker in der Weltliteratur. Jetzt - gute 200 Jahre nach der Erstveröffentlichung - verhilft uns eine junge britische Autorin zu einem Wiedersehen mit Familie Bennet, Mr. Darcy und all den anderen Figuren. Jo Baker haucht den geisterhaften Dienstboten aus der Original-Geschichte Leben ein und erzählt auf dem Hintergrund von Stolz und Vorurteil einen wunderbaren neuen Gesellschaftsroman, der jedoch dieses Mal aus der ungeschönten Alltags-Perspektive des Dienstmädchens Sarah geschildert wird. 


Sarah ist die sympathische Heldin des Buches und steht, neben den anderen Dienstboten, im Vordergrund der Erzählung. Während die fünf Töchter der Bennets auf eine gute Verheiratung und Versorgung durch einen Ehemann hoffen und hinfiebern, schuftet Sarah ohne Unterlass im Hause Longbourn. Mit schmerzenden, aufgeplatzten Händen pumpt sie täglich bei jeder Eiseskälte Wasser, macht Feuer, schruppt und wäscht in Haus und Waschküche. Dazwischen transportiert sie Briefe für die jungen Ladies, bedient bei Tisch, spült das Geschirr, erledigt Besorgungen. Abend für Abend fällt sie kraftlos in ihr Bett und glaubt, dass es niemals eine Abwechslung oder einen Ausweg aus dieser Ödnis geben wird. Ihre einzige Unterstützung ist ein kleines junges Dienstmädchen namens Polly. Polly ist jedoch noch ein halbes Kind und für den Großteil der Arbeiten viel zu jung. Entgegen Sarahs Erwartungen dreht sich der Wind in der schlammigen Landschaft Hertfordshires und in kurzer Zeit kommen viele Steine ins Rollen: Ein neuer männlicher Dienstbote - James Smith - wird von Mr. B angeheuert und erleichtert das Leben der Gemeinschaft erheblich. Zu schaffen macht Sarah lediglich seine reservierte Art und geheimnisvolle Verschlossenheit. Doch schon bald lässt sie sich von dem elegant livriertem Ptolemy, einem farbigen Diener des reichen Nachbarn Bingley, den Kopf verdrehen.

Die Köchin und Haushälterin Mrs Hill mißbiligt die Treffen mit dem Mulatten sehr und versucht Sarah den Umgang zu verbieten. Auch James, der Sarah bislang immer ausgewichen war, ist über den Nebenbuhler nicht erfreut.
Ganz wie bei Jane Austen nimmt die Geschichte ihren Lauf, so kommt es im Leben der Dienstboten zu Wendungen, Enthüllungen und  Geschehnissen...

"Ohne Waschtag keine Kleidung, das verstand sich von selbst, und ohne Kleidung ging es nun einmal nicht, jedenfalls nicht in Hertfordshire, und schon gar nicht im September. ...Die Luft war schneidend, und obwohl Sarah Handschuhe trug, schmerzten ihre Hände vor Kälte, als sie den eisigen Schwengel betätigte, um Wasser aus dem unterirdischen Dunkel in ihren Eimer zu pumpen. Ihr stand ein langer Tag bevor, und dies war erst der Anfang."
(1. Kapitel - Im Hause Longbourn - Jo Baker)


Dieses erstaunliche Buch ist wie ein Tor in die Vergangenheit und nimmt den Leser ohne Verzögerung mit auf eine Reise ins England des frühen 19. Jahrhunderts. Es nimmt uns mit, in Englands üppige grünen Landschaften voller Herrenhäuser, und mit an die grausigen Schauplätze, der Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel. Der Roman ist in drei Bände unterteilt. Die beiden ersten erzählen geistreich, und parallel zu der Originalvorlage über alle Ereignisse im Hause Longbourn, Hertfordshire, sowie von Reisen nach London und Kent. Im dritten Band schreitet die Autorin noch weiter zurück in die Jahre 1788 und 1808. Für die Leserschaft enthüllen sich jetzt grundlegende Geheimnisse rund um die Haushälterin Mrs Hill und den Diener James Smith...
Die Erzählung Im Hause Longbourn reicht über das Happy End der Bennets in Stolz und Vorurteil hinaus, ebenso wie die Entschlusskraft der Heldin Sarah, die den gesellschaftlichen Grenzen Ihrer Zeit die Stirn bietet und in ihrem nachhaltigen Streben nach Glück und Selbstbestimmung jeden Leser mitreißt. Zu jeder Zeit verwebt Jo Baker das Original mit dem neuen Roman auf außerordentlich geniale Art und Weise und beweißt sich als begnadete Schreiberin.

Schon nach wenigen Seiten, hatte mich dieser Roman total gepackt und absorbiert, ich bin darin versunken und spürte beim Lesen jeder weiteren Zeile, eine zufriedene Dankbarkeit für diese geistvolle, beflügelte Geschichte. Die Presse schreibt  "Triumph" und "großartiger Tribut an Jane Austen", nennen es "Ambrosia", "liebevoll" und "Meisterhaft". Und ich kann nur laut jaaahhhh rufen, weil alles wahr ist.

Caroline Schultz


Das Buch ist beim Knaus Verlag erschienen
September 2014
Gebundenes Buch
€ 19,99
ISBN: 978-3-8135-0616-7


2 Kommentare:

  1. Am Samstag habe ich das Buch entdeckt und gleich auf meine Wunschliste gesetzt. Ist bestimmt interessant, hinter die Kulissen der Romane aus dieser Zeit zu blicken.
    LG Donna G.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Donna, Dann wünsche ich Dir, dass Du es ganz schnell geschenkt bekommst! Ich habe das von Anfang bis Ende sehr genossen :) LG

      Löschen

Mit der Nutzung dieses Formulars und dem Absenden eines Kommentars erklärst Du Dich mit der Speicherung und Verarbeitung und dem Anzeigen Deiner Daten, wie IP-Adresse, Email, Profilbild und/oder Namen durch diese Website einverstanden.