Mittwoch, 12. Juni 2013

Ein Mann Schau - Kaberettist Tilman Birr

Porträt

Ein Mann Schau -Kaberettist Tilman Birr

(Caroline Schultz)


So sehr man sich anstrengt, er passt in keine Schublade!
Poetry Slammer, Kabarettist, Liedermacher und Buchautor Tilman Birr verwendet alle seine Talente um seine Fans zu unterhalten.




Ich habe es schon immer als großes Kompliment empfunden, wenn jemand über meine Witze gelacht hat„ (Tilman Birr)
Tilman Birr ist nicht der Erste, der Witze über Berlin macht und er gibt zu, dass die meisten Gedanken vor ihm schon ein Anderer hatte. Doch der 32-jährige Kabarettist und Autor braucht nicht bescheiden zu sein. Bühnenerfolg, Buchveröffentlichung und Künstlerpreise bescheinigen ihm, dass sein kritischer Humor weiträumig ankommt.

Seine Tour führt den Künstler u.a. durch Westfalen, so dass er, vor Beginn seiner Vorstellung im Cuba Nova in Münster, für ein Gespräch zur Verfügung steht.
Egal, ob im hellen Licht des Wintergartens oder bei schummriger Kneipenbeleuchtung, Birr sieht exakt so aus, wie erwartet: Jugendlicher, schlaksiger Typ, eine Mischung aus optimalem Schwiegersohn und einer Prise Gangster. Der Umgang mit ihm ist offen und unkompliziert.

Omas Klavier

Wie Stars und Sternchen in Casting-shows gemacht werden, kann sich jeder tagtäglich im Fernsehen anschauen, doch wie kommt man eigentlich zum Kabarett? Oder zur Lesebühne?
Tilman beschreibt seinen Vater als einen glühender Opernliebhaber, doch weder Geschwister, noch Eltern beherrschten ein Instrument. Talente überspringen oft eine Generation, so war es dann auch Omas Klavier, das den neunjährigen Tilman zum Klimpern anlockte. Der nachfolgende Klavierunterricht fiel auf fruchtbaren Boden. Gitarre und Gesang brachte sich der Liedermacher als 15jähriger einfach selber bei. Doch sein großer Teenagertraum, von einer Musikerkarriere als Heavy Metal Star, scheiterte. Der echte Motörhead-Anhänger schaffte es nicht mal in eine Schülerband. Gut gelaunt, sieht er darüber hinweg und verweist auf den jüngsten Eckpfeiler seiner Laufbahn. Auf der ersten Tilman-Birr-CD bleiben die Ohren von Motörhead-Klängen verschont. Ersatzweise gibt es bitterböse Gesänge über „Burnout“ und ein „Berlin ohne Berliner“.


Eine große Portion Shrimps-Salat kann Tilman nicht vom Plaudern abhalten. Beim Essen erzählt er, dass er als Zivi Koch gewesen sei. In Frankfurt kochte er in einem Schülerladen für 18 Grundschulkinder, half bei den Hausaufgaben und sorgte für lustige Beschäftigung.
Nach seiner Jugend in Frankfurt, war Berlin dann die einzige Stadt, die er sehen wollte. Mit einer inneren Grundausstattung an hessischem Witz, geprägt vor allem durch Badesalz und einer Kindheit voller Loriot-Sketche, beginnt er in Berlin sein Geschichtsstudium und das WG-Leben.

Lustiger Russe

Kaum jemand kannte im Jahr 2000 Wladimir Kaminer, der scheinbar nur gebrochen Deutsch sprechen konnte und auf der Berliner Lesebühne seine ersten Texte vortrug. So erlebte es Tilman Birr, der die Lesebühne in Berlin gerade für sich entdeckte. Seine Begeisterung war so groß, dass er jede Woche hinging und auch mit Frankfurter Freunden im Publikum saß.
„Das kann ich auch“ war die Erkenntnis, in der Freunde und Lesebühnenkünstler ihn bestätigten. Ein Frankfurter Kneipenwirt, sagte nur: „macht mal“ und kurzerhand gründete Tilman Birr 2002 die „Lesebühne Ihres Vertrauens“. Die monatliche Veranstaltung entwickelte sich zu einer festen Größe im Frankfurter Veranstaltungskalender und findet im Ponyhof in Frankfurt-Sachsenhausen statt. Sein neues Hobby machte ihn zum Mitglied der Berliner „Samstagsshow“ und führte den damaligen Studenten fortan als Poetry Slammer durch die ganze Republik.

Lach- und Schießgesellschaft

Als ideales Sprungbrett in die professionelle Kabarettlaufbahn, erwies sich jedoch erst die Bewerbung beim traditionsreichen Kabarett Kaktus in München.
Gleich beim ersten Versuch, gewann Tilman Birr den ersehnten Preis und die, als „Preisgeld“ damit verbundenen Auftritte: Z.B. bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. „Das hat Eindruck gemacht, dass ich dort aufgetreten bin. Eine Menge interessierter Veranstalter nahmen damals Kontakt auf“ erzählt Tilman und wippt dabei unruhig mit seinem rechten Bein. Während er sich eine Zigarette zum Nachtisch dreht, spricht er über weitere Stationen in seiner Laufbahn.

„On se left you see the Siegessäule”

Sommer in Berlin, Tilman hat fertig studiert und braucht Geld und Orientierung. Wagemutig heuert er als Fremdenführer auf einem Ausflugsschiff auf der Spree an. Er vermutet einen leichten Job und gutes Trinkgeld. Doch was sich vor allem bietet, sind eine Menge Erlebnisse. Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Typen, Reisegruppen, Kollegen und eigenartigen Situationen. Eine super Quelle für Geschichten, findet auch ein Buchagent, der Tilman glaubhaft versichert wie trendy und marktgängig Berufssparten-Romane aktuell seien. Exposé geschrieben, Vertrag geschlossen und binnen einen Jahres, lag der fertige Erzählband auf dem Tisch. Tilman gesteht, dass keine einzige der witzigen Geschichten wirklich so passiert ist. Fleißig hat er alles zusammengesponnen, niemals werden seine Leser erfahren, ob es den Sportlehrer Kralmeyer oder den unverständlichen Bayern wirklich gab.
Erstmals erfährt eine große Leserschaft von ihm und die Highlights aus seinem Buch werden zum Bühnenprogramm.

Magister in Geschichte

Auf skeptisches Nachfragen hin gibt Tilman zu, seine Mutter hoffte sehr, dass er einen Beruf aus seinem Studienbereich ergreifen würde. Die Jobsuche führte den Absolventen somit nach Leipzig. Mit einer Magisterarbeit über das DDR-Kabarett in der Tasche, bewarb er sich auf eine Museumsstelle beim Zeitgeschichtlichen Forum. Sein Studienschwerpunkt passte exakt zu den Stellenvorgaben. Tilman erhielt jedoch eine Absage und die war sein zündendes Schlüsselerlebnis. Im gleichen Sommer begann er den Stadtführerjob. Sein Kollege Marc-Uwe Kling (Die Känguru Chroniken) vermittelte ihn damals an die Verlagsagentin und die Künstlerlaufbahn wurde zum Hauptberuf. Tilman betont, dass seine Eltern heute sehr stolz auf ihn sind und seine beiden Geschwister ganz alltägliche Jobs haben.

Lampenfieber

Für den Bayrischen Rundfunk stand Tilman Birr schon einige Male vor der Kamera, doch heute Abend muss er ein Münsteraner Szene-Publikum begeistern. Immer noch zappelt er hektisch mit seinem Bein. Lampenfieber und Nervosität bestreitet er jedoch vehement und berichtet von einem gemeinsamen Auftritt mit dem österreichischen Kabarett Star Josef Hader. Damals sei er schon zwei Tage vorher nervös gewesen. Völlig unbegründet, wie Tilman feststellte: „Hader war der herzigste Mensch von allen.“

Vom Lampenfieber offenbar geheilt und mit dem Ziel, jede Menge Spaß auf „beiden Seiten“ zu verbreiten, betritt der Experte für Dialektimitation und schwarzen Humor die kleine Bühne. An diesem Abend liest Tilman Birr bekannte und neue Texte, spielt alte und neue Lieder. Nach zweieinhalb Stunden Vorstellung und diversen Zugaben, beben dem Publikum die Lachmuskeln und die Hände brennen vom Applaudieren.


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