Mein Abschied vom Aberglauben
Ihr kennt mich, bis zum „Oh du
fröhliche“ des alljährlichen Weihnachtsgottesdienst bin ich die gläubige,
normale Durchschnitts-Christin mit allem was dazugehört. Taufe, Konfirmation,
Kirchenbesuche, christliche Erziehung meiner Kinder, Nächstenliebe, etc. pp.
Doch dann.... plötzlich an Silvester,
da verwandle ich mich. Ich werde zu einem mittelalterlichen, abergläubischen
Mütterchen mit knorrigem Stock und Buckel. Während der hiesige Silvester-Freund
sein Feuerwerk aus natürlicher pyromanischer Zündellaune oder schnödem
Unterhaltungsdrang einkauft und abfeuert, so treibt mich persönlich eine
tiefere Erkenntnis in den gut sortierten Einzelhandel. Als Frau muss ich
glücklicherweise nicht mithalten bei dem traditionell verwurzelten Balzgehabe
der Männer um die dicksten Raketen. Da bin ich im Vorteil und kann mich auf das
wahre Wesen von Silvester konzentrieren.
Denn Raketen, Batteriefeuerwerk,
Böller, Leuchtfeuerwerk und Knaller haben doch nur einen wirklichen Sinn: Die
bösen Geister und dunklen Schatten des vergangenen Jahres sollen vertrieben
werden. Alles was im abgelaufenen Jahr negativ war, muss zurückbleiben und der
Zeitsprung der üblen Kräfte in die verheißungsvolle glänzende Zukunft muss auf
jeden Fall gestoppt werden!!
Mit 27 Raketen diverser Größen, sowie verschiedenen anderweitigen Feuerwerkskörpern gerüstet, trat ich auch in diesem Jahr um Punkt 0 Uhr in der Silvesternacht meinen persönlichen Dämonen entgegen; Bereit ihnen den Garaus zu machen.
Mit 27 Raketen diverser Größen, sowie verschiedenen anderweitigen Feuerwerkskörpern gerüstet, trat ich auch in diesem Jahr um Punkt 0 Uhr in der Silvesternacht meinen persönlichen Dämonen entgegen; Bereit ihnen den Garaus zu machen.
Mein Verbündeter: Ein kleines
rosa Einwegfeuerzeug der Marke Bic. Da ich Nichtraucherin bin, sei hier
angemerkt, dass ich nicht sehr viel Erfahrung mit Feuerzeugen habe. Doch unter
Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen zündete ich meine Raketen. D.h. ich
wollte sie zünden. Leider kämpfte ich nun eher einen Kampf gegen die immer
wieder im Wind ersterbende Feuerzeugflamme, als gegen die bösen Geister. Eine sehr lange Weile später, hatte ich mit
etwas männlicher Unterstützung doch noch alle Raketen und Leuchtfeuer abgeschossen - die
negativen Kräfte aus dem Firmament vertrieben. Der Kampf war gewonnen! Eine
innere Zufriedenheit würde sich nun einstellen, doch Mensch....Au weh: Da war eine münzgroße
Blutblase an meinem Feuerzeug-Daumen und ein paar kleinere Brandstellen an den
Handinnenflächen. Egal, wer schön sein will muss leiden, Ach nee, das war ja
ein anderer Spruch.
Wieder im Haus, startete Phase II meines manifestierten Silvester-Aberglaubens: Glückskekse! Die Gastgeberin verteilte die kleinen einfolierten, viel zu süßen, zu knusprigen Glücksdelikatessen an die Partygäste. Schnell angelte ich mir auch einen aus der Schüssel. Schließlich habe ich seit Jahren kein Silvester mehr ohne Glückskeks gefeiert und die weisen Sprüche sind mir stets ein sinnvolles Leitwort für das neue Jahr gewesen. Im Kreise meiner Lieben und voller kribbeliger Anspannung öffnete ich meinen diesjährigen Keks. Und dann las ich es: In vier Sprachen stand es deutlich sichtbar vor mir. Rote Schrift auf weißem schmalen Papierstreifen: „Kaufe Dir nächste Woche ein Paar neue Schuhe“. Wie??? Das war‘s? Ich drehe den Zettel ein paar Mal herum. Bevor ich meine Haltung völlig verlieren konnte, ermuntern mich meine Freunde doch einfach einen neuen Keks zu nehmen. Na, ja das ist eigentlich gegen meine persönlichen Regeln. Aber was soll‘s. Ich nehme einen zweiten Keks und hoffe nun auf die erbauende tragende Schlüsselprophezeiung für mein Leben in den nächsten 12 Monaten. „Ahhhhhh!“ Aber nein, das gibt es doch nicht - ich habe den gleichen Spruch noch einmal! „Kaufe Dir nächste Woche ein Paar neue Schuhe.“ Das Schicksal lässt sich eben nicht betuppen. Es ist eindeutig, ich MUSS in der nächsten Woche mindestens ein Paar neue Schuhe kaufen.
So einen guten Grund hatte ich
eigentlich noch nie!! Unterschwellig frage ich mich doch, was überhaupt dran
ist an meinem Aberglauben? Vielleicht hat der Glückskeksfabrikant eine
Beteiligung an Tamaris oder Zalando??
Nun folgt noch der letzte
Streich in der Silvesternacht: Dass Bleigießen. Nicht gerade meine Königsdisziplin, denke ich. Mal
sehen. Vielleicht bringt mir das ja Erkenntnisgewinn. Stark übermüdet plumpst
mir dann auch das flüssig heiße Metall ohne jeden Schwung in die Schüssel mit
dem kalten Wasser. Ein nicht interpretierbares Klümpchen stellt mich vor neue
Rätsel? Was könnte das nun sein?
Mein Sohn z. B. gießt jedes Jahr
einen gut erkennbaren Fisch. Die Deutung hierfür lautet: „Ein Bad währe
wohltuend“. Passt auch irgendwie immer, hi hi.
Aber ich habe für diesen Blei-Knubbel
beim besten Willen keine Idee mehr. So gehe ich bettschwer, müde und glücklich
von der Feier nach Hause in eine ungedeutete ungewisse Zukunft. Kurz bevor ich
einschlafe, denke ich: „Vielleicht ist das der Hinweis?“ Nicht mehr deuten. Das
Leben ist voller Rätsel und Überraschungen. Horoskope und Orakel können uns
Spaß machen aber sie geben keine wirklichen Antworten.
… Die wirklichen Antworten kann man in guten Büchern finden oder gibt das Leben selber.
… Die wirklichen Antworten kann man in guten Büchern finden oder gibt das Leben selber.
Euch allen ein Frohes Neues Jahr!
Caroline Schultz
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